Ortsumfahrung B96 Fürstenberg
Prüfung einer Variante mit Tunnel unter der Havel
und einem nördlichen Anschlusses Fürstenbergs am Südende des Solarfeldes als Alternative zur linienbestimmten weiträumigen Westumfahrung
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Sehr geehrter Herr Jürgen,
für die B96 wurde im Jahr 2004 die weiträumige Westumfahrung als Linie bestimmt. Damals prognostizierte man, dass im Jahr 2012 auf der B96 nördlich von Fürstenberg täglich 14.000 Fahrzeuge fahren würden. Tatsächlich waren es bei der letzten Verkehrszählung im Jahr 2015 lediglich 6.500 Fahrzeuge.
Es gibt auch keinen Trend zu einer starken Steigerung. Der Verkehr auf der B96 ist zwischen 2007 und 2017 an der nächsten automatischen Zählstelle südlich von Fürstenberg, in Dannenwalde, durchschnittlich jährlich um 0,5% gestiegen und an der nächsten nördlich von Fürstenberg gelegenen automatischen Zählstelle, in Weisdin, um jährlich 0,3% gesunken.
Allein die der Linienbestimmung zu Grunde liegende falsche Schätzung der Verkehrsmenge erfordert eine Überprüfung der Planung.
Die Westumfahrung zerschneidet auf einer Länge von 9,5 km den Naturpark „Stechlin-Ruppiner Land“ und gleichzeitig das Landschaftsschutzgebiet „Fürstenberger Wald- und Seengebiet“. Sie streift im Abstand von ca. 400m das Naturschutzgebiet „Stechlin“ (entspricht dem FFH-Gebiet #119 und dem SPA-Gebiet #7004). Der Schaden, den der Bau einer weiträumigen Westumfahrung damit anrichten würde, wäre immens.
Sie haben auf der Stadtverordnetenversammlung am 25. Juni 2020 vier alternative Varianten zur Westumfahrung für die Ortsumfahrung Fürstenberg vorgestellt. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Situation vor drei Jahren:
Auf der 1. Sitzung des PAK (Projektbegleitender Arbeitskreis für die Ortsumfahrung Fürstenberg) im April 2017 haben Sie als Landesbetrieb Straßenwesen noch erklärt, dass die Planung ausschließlich auf Basis der im BVWP (Bundesverkehrswegeplan) bestimmten Linie vorgenommen werde. Ein Abweichen von der linienbestimmten Trasse stelle eine grundsätzliche Abweichung von den Vorgaben des Fernstraßenausbaugesetzes dar.
Auf der 2. Sitzung des PAK im April 2018 haben Sie erklärt, dass nunmehr doch eine Alternativenprüfung durchgeführt worden sei. Es seien von Ihnen 37 Trassenvorschläge zu 14 Trassenvarianten zusammengefasst und diese einer Bewertung unterzogen worden. Sie teilten uns mit, dass als Ergebnis der Prüfung zwei Alternativvarianten zur Westumfahrung verblieben seien, die Sie einer vertieften Prüfung unterziehen wollten.
Auf unseren Einwand hin, dass es weit bessere Alternativen gibt, haben Sie nunmehr auf der Stadtverordnetenversammlung am 25. Juni 2020 insgesamt vier Alternativen zur Westumfahrung vorgestellt. Sie wollen aus den vier Alternativen und der Westumfahrung im Herbst 2020 die Vorzugsvariante auswählen.
Leider sind Sie bis heute nicht bereit, die aus unserer Sicht beste Alternative in den Variantenvergleich aufzunehmen.
Die aus unserer Sicht beste Variante wird durch folgende Punkte charakterisiert
- Ihr nördliche Anschluss an Fürstenberg liegt ca. 2km südlicher als bisher geplant am Südende des Solarfeldes
- Sie hat einen P+R-Parkplatz direkt am Bahnhof
- Sie hat einen Anschluss an das Einkaufszentrum Feldmark
- Sie zerstört nicht das Lychtal, sondern wird südlich des Wasserwerkes im Graben der Bahn geführt
- Sie führt im Tunnel unter der Havel durch und wird zwischen Wasserwerk und Kiefernweg überdeckelt.
Die Vorzüge der besten Variante im Einzelnen:
- Verlegung des nördlichen Anschlusses Fürstenbergs um ca. 2km nach Süden an das Südende des Solarfeldes
Der nördliche Anschluss Fürstenbergs an die B96 neu soll nach unserer Auffassung um ca. 2 km nach Süden verschoben werden und südlich des Solarfeldes etwa dort erfolgen, wo die frühere Eisenbahn aus Lychen in einer Abzweigung nach Süden auf die Eisenbahn Neustrelitz-Fürstenberg trifft. Damit kann der Teil des Verkehrs aus Richtung Lychen/Feldberg und Prenzlau mit ca. 2.900 Fahrzeugen täglich, der als Durchgangsverkehr in Richtung Gransee oder Menz fährt, gleich im Norden Fürstenbergs die B96 neu benutzen und braucht nicht mehr durch das Stadtzentrum Fürstenbergs zu fahren. Das Gleiche gilt für den Verkehr in Gegenrichtung.
Die vier von Ihnen am 25.06.2020 vorgestellten Mittelvarianten verlaufen an der Anschlussstelle nur ca. 200 m westlich der alten B96. Nur dieser kurze Abstand muss durch einen Anschluss verbunden werden. Das ist keine größere Entfernung, als Sie für den Südanschluss Fürstenbergs als Verbindung zwischen B96 alt und der Ortsumfahrung planen.
Wir sehen keinen Grund dafür, dass der Nordanschluss Fürstenbergs von Ihnen anders behandelt wird als der Südanschluss. Wenn Fürstenberg im Süden durch eine kurze neue Verbindung mit Brücke über die Bahn an die B96 angeschlossen werden kann, warum kann dann nicht auch im Norden der Anschluss der Stadt mit einer etwa gleichlangen Verbindung mit einem Tunnel unter der Bahn erfolgen?
- P+R-Parkplatz am Bahnhof direkt an der Mittelvariante
Direkt an der Mittelvariante kann ein P+R-Parkplatz eingerichtet werden. Alle vier von Ihnen vorgestellten Mittelvarianten führen direkt westlich am Bahnhof vorbei. Ein P+R-Parkplatz direkt an der B96 bietet die große Chance, den Individualverkehr in Richtung Berlin zu reduzieren, zumal der Fürstenberger Bahnhof der erste Bahnhof im VBB-Tarifgebiet ist.
Diese Chance für die Verknüpfung von Individualverkehr auf dem flachen Land und dem Zugverkehrs in Richtung der Metropole Berlin, die durch die Führung der Mittelvarianten direkt an der Bahn resultiert, darf unserer Meinung nach nicht leichtfertig vertan werden.
Nach den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN) erfordert „eine nachhaltige Entwicklung der Verkehrssysteme (….) eine aufeinander abgestimmte Gestaltung der Verkehrsnetze. Dabei sollte die integrierte Gestaltung der Verkehrsnetze durch deren Funktionsergänzung gefördert werden. Eine sinnvolle Funktionsergänzung sollte die Bildung intermodaler Wegeketten durch das vorteilhafte Zusammenwirken mehrerer Verkehrssysteme bzw. Verkehrsmittel unterstützen (Seite 27).“
- Anschluss an das Einkaufszentrum Feldmark
Das Einkaufszentrum Feldmark mit den Märkten von Edeka, Aldi, toom, Tedi und der Tankstelle, gehört neben dem Bahnhof und dem Stadtzentrum zu den drei Hauptzielen des individuellen Autoverkehrs in Fürstenberg. Das Einkaufszentrum wird nicht nur von Fürstenbergern, sondern auch von Bewohnern der weiteren Umgebung genutzt. Ein Anschluss an die Ortsumfahrung würde den Einkaufsverkehr von Lychen, Himmelpfort, Ravensbrück, Steinförde und Strasen aus dem innerstädtischen Straßennetz heraushalten.
Bei der Variante #22 befindet sich die südliche Ausfahrt zur Stadt Fürstenberg direkt am Einkaufszentrum. Die Variante #14 kann von der Anschlussstelle Rheinsberger Straße über eine kurze neue Verbindungsstraße mit dem Einkaufszentrum Feldmark verbunden werden.
- Führung südlich des Wasserwerkes im Trog der Bahn
Die von Ihnen geplanten Mittelvarianten #15, #22 und #36 werden durch das Lychtal geführt. Mit dem Bau einer Straße durch das Lychtal würde das ruhige und beschauliche Tal mit dem „Postkartenblick“ von der Kirschallee auf Fürstenberg zerstört. Deshalb ist der Bau einer Alternative, die wie die Variante #14, die südlich des Wasserwerkes den gleichen Trog wie die Bahn benutzt, die bessere Alternative.
- Tunnel unter der Havel und Überdeckelung zwischen Wasserwerk und Kiefernweg
Der Verkehr auf einer Mittelvariante ohne Tunnel unter der Havel und ohne Überdeckelung wird den Verkehrslärm an den Grundstücken in der Nähe der Bahnlinie und im Stadtzentrum deutlich erhöhen, selbst wenn hohe Lärmschutzwände errichtet werden. Da sich der Schall von einer Brücke über der Havel über den Röblinsee ungebrochen verbreiten kann, würden auch die Bewohner der Röblinseesiedlung stark betroffen sein. Deshalb wird der Bau der Mittelvarianten ohne Tunnel unter der Havel und ohne Überdeckelung von der Stadt Fürstenberg und von vielen Bürgern der Stadt abgelehnt (vgl. das Schreiben der Stadt Fürstenberg an Sie vom 08.07.2020).
Der Bau einer Mittelvariante mit Tunnel unter der Havel und mit Überdeckelung zwischen Wasserwerk und Kiefernweg ist für die Bewohner Fürstenbergs nicht nur eine erheblich bessere, sondern die allerbeste Alternative.
- Denn es erfolgt keine Zerschneidung des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land.
- Denn die Vernichtung von ca. 20 ha Wald (=40 Fußballfelder) im Naturpark unterbleibt.
- Denn die touristischen Ziele Fürstenbergs wie Peetschsee und Stechlin werden nicht abgetrennt, weil das vorhandene trennende Bauwerk, die Bahntrasse, lediglich um die neue B96-Trasse verbreitert wird, aber keine zusätzliche trennende Barriere gebaut wird.
- Denn die Bewohner der Röblinseesiedlung, von Steinhavelmühle und von Steinförde werden vom Verkehrslärm verschont.
- Denn das Stadtzentrum wird vollständig vom Durchgangsverkehr entlastet. Damit können nach unserer Schätzung von den derzeit durch das Stadtzentrum fahrenden ca. 10.500 Fahrzeugen ca. 5.500 Fahrzeuge die Ortsumfahrung nutzen. Bei der weiträumigen Westumfahrung wären es nur ca. 3.500.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie eine Verkehrszählung mit Kennzeichenerfassung durchführen, damit es endlich belastbare Prognosen darüber gibt, wieviel Verkehr die verschiedenen Ortsumgehungen aufnehmen können und wieviel Verkehr auch nach dem Bau einer Ortsumfahrung weiter durch das Stadtzentrum fahren werden (vgl. S. 29-32 unseres Schreibens vom 03.09.2019 und unser Schreiben vom 02.08.2020).
- Nur wenn der gesamte Durchgangsverkehr die Ortsumfahrung nutzt, besteht die Möglichkeit, Teile des Stadtzentrums zu einer Fußgängerzone umzugestalten und damit seine Attraktivität für Bürger und Touristen zu erhöhen.
- Nur mit einer starken Verkehrsreduzierung in der Innenstadt kann das Ziel der Stadt, als Erholungsort anerkannt zu werden, erreicht werden.
Auch für die Fahrer auf der B96 ist die bahnparallele Variante die beste:
- Die bahnparallele Trasse spart den riesigen Bogen um den Röblinsee und ist daher ca. 2,5 km kürzer als die Westumfahrung.
- Die bahnparallele Trasse hat eine gestreckte Linienführung mit den für Bahnstrecken üblichen großzügigen Radien und geringen Steigungen. Die Westumfahrung hätte dagegen eine kurvenreiche Streckenführung durch die „Steinförder Schweiz“.
Von Herrn Süsser, dem Leiter des Referates StB20 beim Bundesverkehrsministerium und von Ihnen wurde auf der Stadtverordnetenversammlung am 25. Juni 2020 die von uns vorgeschlagene Variante mit Tunnel unter der Havel pauschal als zu teuer abgelehnt.
Ob eine Variante als zu teuer angesehen wird oder der Schutz des Naturparks höhere Priorität hat, ist eine Abwägungsfrage. Man kann sie nur dann beantworten, wenn man die Alternativen in den verschiedenen Aspekten vergleicht. Ein Vergleich bedingt, dass beide Varianten untersucht werden und Ihre Auswirkungen auf die Natur und auf die Kosten miteinander verglichen werden.
Bei einem Variantenvergleich muss man auch die Kosten berücksichtigen, die bei der weiträumigen Westumfahrung durch den Bau von ein oder zwei Wildbrücken und durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle für den Kahlschlag auf der 9,5 km langen Schneise durch den Naturpark entstehen werden.
Die langfristig für die Bürger und die touristische Entwicklung Fürstenbergs beste Variante ist der Bau einer bahnparallelen Ortsumfahrung
- mit Tunnel unter der Havel und Überdeckelung zwischen Wasserwerk und Kiefernweg,
- mit einem Nordanschluss an Fürstenbergs auf Höhe der alten Eisenbahn nach Lychen statt 2 km weiter nördlich
- mit einem P+R-Parkplatz am Bahnhof,
- mit einem Anschluss an das Einkaufszentrum Feldmark und
- mit einer Führung der Trasse südlich des Wasserwerks im Graben der Bahn.
Wir fordern Sie daher auf, den Bau einer Mittelvariante mit Tunnel unter der Havel und mit den anderen vorstehend benannten Eigenschaften als Variante in Ihrem Variantenvergleich zu berücksichtigen (z.B. als Variante #14a), bevor Sie eine Entscheidung über die Vorzugsvariante treffen.
Wenn man bereit ist, viele Millionen in die Hand zu nehmen, um eine Ortsumfahrung zu bauen, sollte man eine Lösung realisieren, die langfristig, das heißt für die nächsten Generationen, die Lebenssituation der Fürstenberger Bürger und die touristische Qualität der Stadt verbessert und gleichzeitig den Bestand an Naturräumen um Fürstenberg erhält.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Arbeitskreis Lebendiges Fürstenberg
Bernhard Hoffmann
Anlage: Unser Vorschlag zur Linienführung im Detail
Anlage zum Scheiben vom 10. August 2020
Unser Vorschlag zur Linienführung im Detail
Norden:
- Der nördliche Anschluss Fürstenbergs sollte gegenüber der bisherigen Planung um ca. 2 km nach Süden verschoben werden und südlich des Solarfeldes ungefähr dort erfolgen, wo die frühere Eisenbahn aus Lychen in einer Abzweigung nach Süden auf die Eisenbahn Neustrelitz – Fürstenberg trifft. Der Anschluss zur Stadt führt als eine ca. 200m langen Verbindung unter der Bahn durch und sollte als plangleicher Anschluss als Einmündung in die B96 neu geführt werden. Damit wird die Lärmverbreitung, die eine Führung der B96 neu auf Höhe der Bahn verursachen würde, reduziert.
- Für die Entlastung der Innenstadt von dem Durchgangsverkehr zwischen Lychen und Berlin bzw. Rheinsberg ist der Anschluss der L15 nach Lychen an die Umgehungsstraße unbedingt erforderlich.
Mitte:
- Aus Lärmschutzgründen soll die Umgehungsstraße die Havel in einem Tunnel unterqueren.
- Zwischen Kiefernweg und Wasserwerk soll die Umgehungsstraße in einem überdeckelten Trog und auf Straßenniveau und nicht auf dem erhöhten Niveau der Eisenbahn gebaut werden, um die Lärmausbreitung zu minimieren.
- An der Umgehungsstraße soll am Bahnhof ein Park and Ride-Parkplatz gebaut werden, so dass die Pendler aus Neuglobsow, Canow, Wesenberg und Lychen nicht mehr durch die Innenstadt fahren müssen.
Süden:
- Südlich des Wasserwerkes sollte die Ortsumfahrung wie bei Ihrer Variante #14 im Trog der Bahn geführt werden.